Peter Carla

Persönliche Information und Meinung

Ein Aufschrei der Entrüstung geht durch die Medien, weil ein deutscher Politiker seinem Volk empfiehlt, weniger zu Duschen und sich dafür zwischendurch auch einfach mal mit dem Waschlappen zu reinigen. Wütende Auseinandersetzungen in den sozialen Medien, weil staatliche Zuschüsse und Steuererleichterungen zur Reduzierung von Gaspreis-Erhöhungen in Frage gestellt werden. Entrüstete Überschriften in der Springer-Presse, weil die Absenkung der Wohnraumtemperaturen unter 20 Grad empfohlen wird. Und stets der damit verbundene „Hinweis“, dass die Grünen ja alles verbieten wollen und nunmehr eine Öko-Diktatur einführen werden. Der verwöhnte Bundesbürger dreht offenbar komplett durch. Oder besser gesagt: Die gespielte Wut wird der Bundesbürgerin von den konservativen Medien vielleicht auch nur erfolgreich eingetrichtert.

Dabei ist seit Ende der 1970 Jahre klar, dass wir auf unserem verschwenderischen und klimamordenden Weg des Wohlstands auf Kosten anderer und auf Kosten der Natur nicht auf Dauer werden fortfahren können. Damals 1977 ging ebenfalls ein Aufschrei – naja, es war immerhin ein Raunen – durch die Medien, als Global 2000 erschien, eine Umweltstudie, die US-Präsident Jimmy Carter im Rahmen einer Botschaft an den US-Amerikanischen Kongress in Auftrag gegeben hatte. 1980 erschien der komplette Text auch auf Deutsch. Wir wissen seitdem, das wir massiv über unsere Verhältnisse leben. Die Studie ist inzwischen als pdf frei verfügbar: http://www.geraldbarney.com/G2000Page.html

Berühmt und immer wieder aktualisiert sind die Grafiken, die in diesem Werk in den Text eingestreut waren: Stets wurde in mehreren Kurven anschaulich gemacht, was in verschiedenen Szenarien passieren könnte, wenn die Menschheit ihr Verhalten ändert oder einfach so weitermacht wie bisher. Damals konnten wir uns noch schnell wieder beruhigen – denn die drastischen vorhergesagten Klimaveränderungen lagen für unser Gefühl weit in der Zukunft. Wenn wir also vernünftig handeln würden, könnte man die Katastrophe noch abwenden.

Doch wir waren naiv. Wir ahnten noch nichts davon, dass niemand vorhatte, vernünftig zu handeln.

Ganz im Gegenteil: Fossile Großunternehmen investierten in den folgenden Jahrzehnten Millionen, um die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge bewusst zu täuschen und das Problem hinterlistig an jeden Einzelnen zu deligieren. Die Propaganda vor allem der Minealöl- und Gaskonzerne hat die Diskussion bis heute stark beeinflusst. Das Problem wurde im wesentlichen ignoriert und vertagt. Die Saat gingt auf. Die ganze Welt tat so, als sei nichts gewesen.

Deshalb verstrich dann die Zeit, ohne das nennenswerte Veränderungen sichtbar wurden, der Verbrauch fossiler Energien stieg sogar teils drastisch weiter.

Das Thema blieb immerhin über die Jahrzehnte präsent. Immer wieder wurde über den Klimawandel diskutiert – aber zunächst eigentlich nur darüber, ob er überhaupt existiert. Die Politik redete immer wieder viel und kontrovers über klimatishe Veränderungen, tat aber im wesentlichen – nichts.

Und das Interesse für den Umwelschutz wurde instrumentatisiert und kapitalisiert. Viele politische Entscheidungen im angeblichen Namen des Klimawandels halfen nicht dem Klima, sondern eher Interessengruppen und der Industrie. Ein kleines, aber schönes Beispiel ist der „Grüne Punkt“ in Deutschland, der unserer einheimischen Recyclingindustrie satte Gewinne einbrachte – bis heute. Der von den Verbraucher*innen teuer in extra Tonnen entsorgte Müll wurde hingegen weiterhin einfach verbrannt, in alle Welt verschifft und dort verbrannt oder über Umwege in die Umwelt „entsorgt“. Die Weltmeere sind heute mit Plastikmüll aus den reichen Industriestaaten übersät. Heute wissen wir, dass die fossile Lobby die Gefahren des bevorstehenden Klimawandels noch genauer kannte als wir – und die Öffentlichkeit systematisch über die Folgen der Verbrennung von Kohle, Benzin und Gas belog. Jahrzehntelang. Bis heute. Und viele Politker*innen halfen und helfen willfährig dabei. Ablenkungsdebatten wie die über die unzuverlässige und völlig überteuerte Stromerzeugung aus Kernkraft flankierten das Nichtstun der Politik. Vor jeder Wahl wiederholte sich das bekannte Spiel: Viel reden, große Versprechen, nichts tun.

Klimaschützer und sogar -aktivisten gab es von Anfang an, Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich eine Umweltschutz-Bewegung auf Basis von Bürgerinitiativen, die Partei der Grünen gründete sich in Deutschland bereits Anfang 1980. Sie wurde von den Regierenden – und auch den meisten Medien – zunächst nicht ernst genommen, dann ausgelacht und schließlich diffamiert – obwohl sie in ihren umweltpolitischen Analysten und Forderungen aus heutiger Sicht eigentlich die richtigen Forderungen stellte und damit auf dem richtigen Kurs war. Leider sind bis heute nur wenige Politiker*innen der konservativen Parteien in der Lage, ihren Irrtum zu erkennen und einzugestehen. Bis heute werden abstruse Behauptungen über die „Verbotspartei“ erhoben, die angeblich keinerlei Kompetenzen in wirtschaftlichen und sozialen Belangen habe. Doch in Wahrheit haben gerade die etablierten Parteien in ihren Regierungszeiten ihre Nichtkompetenzen ausführlich unter Beweis gestellt.

Denn in dieser Zeit wurde die Abhängigkeit in fossile Energien bis ins Absurde vorangetrieben. Die entsprechenden Konzerne durften sogar Gesetzestexte mitformulieren und satte Gewinne abschöpfen. Liberale und vor allem konservative Politiker*innen ließen sich willig vor den Karren spannen. Absurd: Das funktioniert bis heute. Warum ist das so?

Es geht um Geld, um Macht und um Bequemlichkeit. Und es spielen auch die Mechanismen der Demokratie und des Kapitalismus eine Rolle.

Wir alle haben uns Schuldig gemacht – schon das wollen wir nicht wahrhaben. Wir sind bequem. Obwohl wir alle wissen, dass es falsch ist, halten wir an unseren schlechten Gewohnheiten fest. Und wir lassen auch unsere Politiker*innen gewähren, die das gleiche tun und die Bräsigkeit noch zur Norm deklarieren. Alle ernstzunehmenden Wissenschaftler*innen und Politikberater*innen sagen uns inzwischen beinahe täglich, dass unser Verhalten in den Untergang führen wird. Und wir tun – nichts. Ja, wir reden inzwischen darüber. Aber das ist immer noch Nichtstun.

Die Beharrungskräfte sind in der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung unfassbar groß. Es gibt doch so schöne Entschuldigungen! Alle wollen weitermachen wie bisher – das machen doch alle so. Und mein Verhalten hat doch nur einen winzigen Anteil an der Katastrophe.

Die Diskussionslinie ist klar:

Auf meinen Lanzarote-Urlaub kann ich nicht verzichten – den habe ich mir verdient!

Mein SUV ist ein Elektroauto!

Ich lasse mir meine tägliche Dusche nicht verbieten!

Ich wohne auf dem Land – da muss ich mit dem Auto fahren!

Eine Dämmung für mein Haus lohnt sich nicht – ich bin doch schon 60!

Dabei wissen wir doch selbst ganz genau, dass wir uns damit täglich belügen.

Tatsache ist: So können wir nicht weitermachen. Wir müssen alle Verantwortung übernehmen – und hätten es schon längst tun müssen. Und vor allem dürfen wir es unseren Politiker*innen nicht länger durchgehen lassen, nicht alle politischen Maßnahmen auf ihre Klimarelevanz zu prüfen und zu optimieren. Der Verbrauch fossiler Energieträger muss so schnell wie möglich enden. Diese Wahrheit aus den 1980er Jahren wird immer drängender.

Wir können nicht länger jeden Morgen mit dem Auto zum Bäcker fahren – das ist außerdem ungesund. Zumal die Brötchen dort auch nur aufgebacken werden (das können Sie zuhause auch selbst tun). Und es ist absurd, um die halbe Welt zu jetten, um seinen Arsch in die Sonne zu halten.

Einige Rechenbeispiele:

Wenn Sie mit dem Auto zum ein Kilometer entfernten Bäcker fahren, erzeugen Sie mehr als ein Kilogramm CO2 – ist das eine tägliche Gewohnheit, entstehen also rund 240 Kilo CO2 im Jahr – vorsichtig gerechnet (und wenn Sie doch an ein paar Tagen keine Lust haben). Dafür sollten Sie sich schämen! Wozu haben Sie Beine? Und außerdem tut etwas Bewegung gut, Sie werden außerdem Ihre Umgebung besser wahrnehmen – und sich über andere ärgern, die mit dem Auto zum Bäcker fahren. Sprechen Sie diese Sünder*innen ruhig einmal an!

Wenn Sie in Deutschland mit dem Auto Urlaub machen, fahren Sie vielleicht insgesamt 1000 Kilometer in dieser Zeit – und erzeugen rund 350 Kilogramm CO2. Das ist nicht wenig, oder? Na gut, wenn Sie zu zweit sind, halbiert sich der Wert auf 175 Kilogramm. Weniger, als Sie jährlich bei Ihren Fahrten zum Bäcker freisetzen.

Aber wenn Sie nach Lanzarote fliegen, setzen Sie dabei mehr als 1,1 Tonnen CO2 frei – und wenn Sie zu zweit unterwegs sind, schon 2,2 Tonnen. 2200 Kilogramm – deutlich mehr, als Ihr Auto wiegt.

Sparen Wasser und Energie: Waschlappen.

Es wird höchste Zeit, dass wir einen Plan machen: Wo bin ich in meinem Leben klimaschädlich – und wie stark? Bei dieser Analyse helfen Klimarechner wie dieser:

https://co2.myclimate.org/de/car_calculators/new

Dann können Sie gut entscheiden, wie Sie die Belastung herunterschrauben. Schnell werden Sie herausfinden, wo die großen Stellschrauben sind: Bewegung und Wärme (Heizung und warmes Wasser).

Denken Sie über Ihren Alltag nach! Indem Sie mehr Muskelkraft als fossile Energie zur Fortbewegung nutzen – zum Beispiel. Das Fahrrad ist das effizienteste Verkehrsmittel überhaupt. Auch als E-Bike verbraucht es viel weniger Energie als das sparsamste Auto – selbst wenn dieses elektrisch fährt.

Denken Sie über Ihre Investitionen nach! Ein neues Auto zu kaufen, ist sicher nicht nötig. Einen Verbrenner zu kaufen, ist hingegen ganz bestimmt falsch. Investieren Sie lieber in eine Solaranlage! Es gibt viele Möglichkeiten, bewusster und klimagerechter zu leben – für ein gutes Gewissen und für die lebenswerte Zukunft unserer Kinder. Und ja: Dabei werden wir unseren grotesken Überkonsum auch ein wenig nach unten reduzieren müssen.

Denken Sie über Ihr Essen nach! Biologisch regional angebautes Gemüse vermeidet Klimabelastungen und ist gesünder. Eine fleischarme Ernährung ist nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes anzustreben – es ist auch viel gesünder.

Denken Sie über Ihren Urlaub nach! Der Sommer ist auch in Deutschland überwiegend sonnig – nutzen Sie regionale Angebote. Kennen Sie Urlaubsangebote an der Ostsee, in Brandenburg und in der sächsischen Schweiz? Probieren Sie doch mal was neues aus. Ich selbst mache mit meiner Familie seit 30 Jahren Urlaub in Deutschland – nur einmal war es wirklich ziemlich kalt und regnerisch. Und die Sommer in Deutschland werden eher heißer und trockener, das wissen Sie doch selbst. Niemand muss nach Kreta oder sonstwohin fliegen, sich dort in einer Betonburg langweilen und damit die Urlaubsveranstalter bereichern. Stellen Sie die Werbe-Lügen doch mal in Frage! Sie müssen nicht auch noch in Ihrer Freizeit dazu beitragen, fremde Menschen auszubeuten und die Natur zu verpesten.

Denken Sie über Ihre demokratischen Möglichkeiten nach! Die Optionen eines klimagerechten Wirtschaftens sind längst bekannt – aber werden politisch immer wieder auf die lange Bank geschoben. Das können Sie ändern: Indem Sie sich lokal engagieren und bei Wahlen die richtigen Entscheidungen treffen. Informieren Sie sich gründlich und aus möglichst neutralen Quellen. Diskutieren Sie mit lokalen Politiker*innen – und lassen Sie sich nicht mit pauschalen Vorurteilen und Patentrezepten abspeisen. Glauben Sie vor allem nicht den üblichen Diffamierungen und Vorurteilen. Die etablierten Parteien haben keinen Grund, sich selbstgerecht über ihre Konkurrenz zu äußern – sie haben die Klimakatastrophe mitgestaltet. Drauf noch stolz zu sein, gibt es keinen Grund.

Leben Sie gesünder, leben Sie bewusster – und leben Sie damit auch intensiver. Sie werden damit auch glücklicher leben, das verspreche ich Ihnen.

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