peter-baruschke.de

Persönliche Information und Meinung

Die öffentliche Einschüchterung funktioniert nahezu perfekt: Wenn Du nicht den üblichen Mainstream-Vorstellungen genügst, stehst Du im Abseits und hast mit Anfeindungen und Verletzungen zu rechnen. Es folgt eine längere Liste mit Beispielen, in denen Frauen, Behinderte, Ausländer*innen, Transpersonen und – ja auch Grüne verunglimpft, verletzt oder sogar getötet worden sind. Die Botschaft: Habt Angst und verkriecht Euch!

Deutsche Medien berichten mit Inbrunst von den Übergriffen – und nutzen damit den Tätern. Schockfotos und weitgehend unreflektierte Texte zementieren die Unterdrückung der Vielfalt. Zwar wird in den Redaktionen gern von Diversität gemurmelt – gezeigt und vorgelebt wird sie aber nicht – oder nur als Abziehbild der Peinlichkeit und angeblicher Perversion. Schließlich will man die armen alten weißen Leser nicht verängstigen – sie sollen ruhig weiter ihre Vorurteile ausleben, solange sie Geld für die entsprechende Postille lockermachen. Renommierte deutsche Leitmedien sind weiterhin männlich dominiert und berichten weiß, männlich und konservativ. Kolonial und ausländerfeindlich geprägte Meinungen sind gängig, rassistische Tendenzen nicht selten. Rassismus und Rechtsradikalismus werden nur milde kritisiert, linke Kritik wird nach wie vor verteufelt.

Und so öffnet sich in unserer Gesellschaft eine Schere: Hier eine kleine, gut informierte und einfühlsame Gruppe von Menschen, die mit dem Thema Diversität vertraut ist, ohne Vorurteile über dieses Thema diskutiert und oft auch sprachlich angemessen agiert. Und auf der anderen Seite die große Masse schlecht informierter oder – auch aus den Medien – mit Vorurteilen befrachteter – oft älterer – Menschen, die sich durch die neue Vielfalt überfordert fühlen und eine alte „Ordnung“ zu verteidigen suchen, die es in Wahrheit nie gab. Ein Teil dieser Gruppe des angeblichen Mainstream scheut vor Diffamierungen und falscher Propaganda nicht zurück – darunter sind sogar Politiker*innen etablierter Parteien aus dem demokratischen Spektrum.

Die Folge ist Angst bei Menschen, die nicht dem akzeptierten Weltbild der weißen alten Männer entsprechen. Wer kein männlicher, erfolgreicher Bürger ist oder das Lebens- und Keidungskonzept im kapitalistisch geprägten westlichen Standard nicht repräsentiert, hat sich unterwürfig und dankbar zu zeigen, wobei auch dann keine Sicherheit garantiert wird. Und so versuchen Menschen außerhalb des „normalen“ Spektrums, anonym zu bleiben – sie zeigen sogar in ihren eigenen Chats ihr Gesicht nicht und versuchen, ihre Identität zu verschleiern. Das ist Unterwürfigkeit, die zwar verständlich ist – aber die Machtstrukturen nur weiter zementiert. Angst hilft uns nicht weiter, Angst lähmt und zementiert die vermeintliche Macht der Meinungsführer. In meiner persönlichen Wahrnehmung wird diese Angst sogar eher verachtet und trägt zu weiteren Diffamierung bei – ein tatsächlicher Schutz vor Angriffen wird damit fraglich.

Selbst-Enthauptung: Wer überhaupt etwas zu zeigen wagt,
hat oft Angst, erkennt zu werden.

Die Selbst-Demütigung durch eine eigene Unkenntlichmachung hat aber noch eine weitere Folge: Sie hindert Menschen außerhalb des Mainstream, selbstbewusster aufzutreten und die eigene Besonderheit allmählich zu etwas ganz Normalem werden zu lassen. Sie zementiert die Unterwürfigkeit. Es ist ein Akt der Unterordnung, der eine in Wahrheit nicht vorhandene „Minderwertigkeit“ eher noch bekräftigt. Fatal ist ein weiterer Effekt: Wenn wir unser Gesicht verdecken, werden wir uns auch gegenseitig nicht erkennen können – das zementiert die Isolation.

Folgerichtig stellt die Regenbogen-Bewegung der LGBTQ+ Bewegung einen Begriff besonders heraus: Pride. Pride bedeutet wörtlich übersetzt „Stolz“ – aber das trifft es im Deutschen eigentlich nicht richtig, weil dieses Wort auch eine gewisse Arroganz vermittelt, die nicht gemeint ist. Vielmehr geht es zuerst darum, sich selbst Mut zu machen. Pride könnte hier also eher mit „Selbstbewusst“ gleichgesetzt werden. Es geht darum, so zu leben wie man ist – und dies auch zu zeigen. Denn es ist nicht minderwertig, anders zu sein als der Mainstrem. Es ist vielmehr ganz normal und bereichernd. Und die alten weißen Männer sollten sich am besten möglichst schnell an diese bereichernde Vielfalt gewöhnen. Wir sind normal. Wir gehören dazu. Und wir bereichern jedes menschliche Zusammentreffen und die Gesellschaft.

(September 2023)

Zeigt Euch! (Mehr auf Instragram #petercarla62)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert