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Persönliche Information und Meinung

Im persönlichen Gespräch wirken viele Mitmenschen inzwischen lethargisch, wenn sie auf das Thema Klimaschutz angesprochen werden. Offenbar will sich niemand bewegen, bevor andere etwas tun – so scheint es. Immer wieder wird mit dem Finger auf andere gezeigt nach dem Motto „Deutschland hat doch nur einen kleinen Anteil“. Das Thema wird also offensichtlich verdrängt. Lieber möchte man sich über die nächste geplante Flugreise unterhalten und die bevorstehenden Konsumentscheidungen.

Dabei brennen uns bereits die Sohlen. Alarmierende Zahlen, Prognosen und Katastrophenmeldungen sind inzwischen täglicher Inhalt aller Nachrichten. Die zugesagte Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 °C wurde – zumindest in Deutschland – bereits überschritten (Stand Ende 2023: 2 °C).

Was ist da los?

Es gibt mehrere Erklärungsansätze dazu:

1. Es soll sich nichts ändern.

Es soll alles normal sein. Das ist der alles dominierende Wunsch der Menschen. Das erklärt ihr Verhalten und ihre Äußerungen – auch wenn dieser Wunsch ganz offensichtlich nicht zu erfüllen ist. Denn selbst, wenn tatsächlich alles bleibt, wie es ist, stehen drastische, lebensbedrohliche Veränderungen bevor. Und das entsprechende Verhalten, jede Veränderung der „Normalität“ zu bekämpfen führt völlig offensichtlich direkt und noch schneller in die Katastrophe. Anders formuliert: Der Ausnahmezustand ist quasi das neue Normal – und das können wir keinesfalls akzeptieren!

Das Kuriose: Das wissen auch fast alle – und unternehmen dennoch nichts. Denn die Anderen tun ja auch nichts – und es ist gerade so bequem – und ich habe das verdient – und das hat doch noch Zeit – und mein Überkonsum geht Euch gar nichts an – und es gibt genug andere Probleme.

Was steckt hinter dieser Untätigkeit? Aus Sicht der Klimapsychologie ruft die Klimakrise in uns tiefgreifende Gefühle wie Angst, Schuld, Verzweiflung und Scham hervor. Weil die ständige Auseinandersetzung damit sehr unangenehm für uns ist, verbannen wir sie aus unserem Bewusstsein.

Dabei helfen uns Abwehrmechanismen. Ein Beispiel ist die Dissoziation, die „Doppelte Buchführung“: Wenn wir dissoziieren, rechtfertigen wir unseren Langstreckenflug zum Beispiel damit, dass wir auf Fleisch verzichten. (Quelle: Umweltpsychologe und Klimaforscher Gerhard Reese im Interwiew im SWR). Zum Vergleich: Ein Langstreckenflug erzeugt für eine Person ungefähr soviel CO2 wie der gesamte Ausstoß eines Benzinautos – ein ganzes Jahr lang.

2. Das sollen andere machen.

Die meisten Bundesbürger sind sich einig: Der Klimaschutz ist schon irgendwie wichtig.

• 78% der Bevölkerung finden Umwelt- und Klimaschutz wichtig (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023)

• Aber: Jeder Vierte glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel – WHAT?

• Die relative Mehrheit von 48 Prozent achtet zwar auf Nachhaltigkeit, aber Preis, Design und Qualität sind ihnen bei der Kaufentscheidung wichtiger.

• 53% der Bevölkerung sehen die Verantwortung für die Lösung globaler Umwelt- und Klimaprobleme bei der Politik (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023).

Dazu passt: Beim Energiesparen geht es vor allem ums Geld: 81% der Bürger*innen geben Sparen als Motiv fürs Energiesparen an, nur 49% tun es für den Klimaschutz (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023). Und 5% der Bürger*innen sparen gar nicht.

Die Zustimmung zum Klimaschutz ist groß … aber nur, wenn ich selbst nichts machen muss:
• 83% sind für den Ausbau erneuerbarer Energien und immerhin noch 57% für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohlegewinnung (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023).

Wenn ich selbst betroffen bin, soll lieber nichts passieren: 61% lehnen ein Verbot von Öl- und Gasheizungen ab (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023).

Dazu passt, dass die meisten Menschen ihren persönlichen CO2-Fußabdruck gar nicht kennen (78%) – sich also ganz offensichtlich überhaupt noch nicht ernsthaft mit persönlichen Konsequenzen aus der Klimakatastrophe auseinandergesetzt haben.

Dazu passt auch, dass fast die Hälfte aller Kaufentscheidungen ohne Bezug auf den Klimaschutz stattfinden: Es ist nicht so wichtig oder egal – Preis und Design sind wichtiger. Typisch auch hier: Andere sollen sich um das Problem kümmern – die Hersteller sollen eine Pflicht zur nachhaltigen Produktion auferlegt bekommen – meinen 76% der Bevölkerung (Quelle: TÜV Sustainability Studie 2023). Klar: Produkte sollen deswegen aber nicht mehr kosten.

Fazit: Ich würde mich ja für ein klimagerechtes Verhalten entscheiden – aber ich will mich dafür nicht anstrengen und meine Gewohnheiten nicht ändern. Auch hier zu beobachten: Es geht vor allem darum, die Normalität des täglichen Lebens nicht zu gefährden.

Man könnte hinzufügen: Und wenn das nicht geht, sind die Grünen schuld und ich wähle nächstes Mal die Faschisten – traurige Realität in der BRD?

3. Wir reden zu wenig über unsere eigenen Aktivitäten

Derzeit läuft etwas falsch in der Diskussion über den Klimawandel. Derzeit urteilen 85 Prozent der Befragten, dass die Klima- und Umweltbewegung „häufig mit ihren Protestaktionen zu weit“ geht, und zwar mit breiten Mehrheiten in allen gesellschaftlichen Typen. Wenn wir Menschen dann konkret fragen, ob sie eigentlich eher Verständnis oder kein Verständnis für die Straßenblockaden der „Letzten Generation“ haben, äußern nur 8 Prozent Verständnis. 85 Prozent reagieren mit Unverständnis. (Quelle: More in Common, 2023). Das hat viele Gründe, aber auch diesen: Die Negativberichterstattung über die Klimaaktivisten beherrscht die Medien.

Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Einstellung der Deutschen: Laut ARD-DeutschlandTrend vom April 2023 gilt der Klimawandel bei den Deutschen als größtes Problem, 44% wollen „mehr Tempo beim Klimaschutz“. Doch im persönlichen Lebensumfeld kommt das Thema kaum an – wie könnte man das ändern?

Man müsste, man könnte – viele Äußerungen zum Thema verlieren sich im Ungefähren. Dagegen gibt es ein Mittel: Tue Gutes und rede darüber!

Wir sollten mehr mit Verwandten, Nachbarn und Freunden darüber reden, dass wir es geschafft haben, inzwischen (auch im Winter!) fast ausschließlich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren statt mit dem Auto – obwohl die Strecke mit 20 Kilometern doch ganz schön weit erscheint! Und vor allem: Das das auch noch Spaß macht und einen Gewinn an Lebensqualität bedeutet!

Wir sollten viel mehr erzählen über unsere persönlichen Erfolge, den fossilen Verbrauch von Energie zu reduzieren. Darüber, dass man zu einem regenerativen Energieversorger gewechselt ist. Dass die Urlaubsreise in Deutschland ganz neue Perspektiven eröffnet hat und unbedingt wiederholt werden soll. Dass man seine Kleidung prima in einem Kaufhaus für gebrauchte Produkte kaufen kann – sogar online! Und dass man ein Balkonkraftwerk in Betrieb genommen hat und sich darüber freut, wie sich der Zähler nun langsamer dreht.

Denn: Vorbilder helfen, die eigenen (schlechten) Gewohnheiten zu ändern. Und dann vielleicht selbst zum Vorbild zu werden. Mit Schilderungen aus dem eigenen Alltag können wir das Gefühl vermitteln, dass klimagerechtes Verhalten normal ist – und Energieverschwendung und Überkonsum eben nicht normal.

Übrigens gibt es auch professionelle Akteure, die sich mit dem Thema Klimakommunikation beschäftigen: Die drei Partner Climate Outreach, klimafakten.de und More in Common arbeiten gemeinsam daran, die öffentliche Diskussion zum Thema in Deutschland zu verbessern. Ziel ist es, Klimakommunikator*innen landesweit zu befähigen, damit mehr Menschen aus der Breite der Gesellschaft vom Reden darüber ins Handeln für das Klima kommen.

Ausführliche Analysen und ganz praktische Tipps gibt es zum Beispiel hier:

https://climateoutreach.org/uebers-klima-reden/
https://www.moreincommon.de/klimabewegung/

4. Wir müssen Normalität verändern

Unsere Gesellschaft ist in einer nicht mehr aufrecht zu erhaltenden scheinbaren Normalität gefangen. So beschreibt es Stephan Lessenich in seinem Buch „Nicht mehr normal“: „Das Denkbare denken, schön am Geländer festhalten, auf Sicht fahren und nicht vom Weg abkommen: So und nicht anders lauten die Selbstbeschwörungsformeln einer vor Veränderung zurückschreckenden, allein schon von der Vorstellung ganz anderer Vorstellungen traumatisierten Gesellschaft.“

Dabei ist unsere Normalität längst in die Perversion abgerutscht: Wir halten es für normal, weiterhin abartige Mengen fossilen Brennstoffs zu verheizen, Flüchtlinge ertrinken zu lassen und deren Rettung zu bestrafen, Millionen Lohnsklaven in Fernost für uns arbeiten zu lassen und gleichzeitig arrogant auf sie herunterzublicken, eine Armada geringfügig Beschäftigter für einen Hungerlohn niedere Arbeiten verrichten zu lassen und uns mit kurzfristigen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen abspeisen zu lassen – anstatt Zukunftsvorsorge zu treffen. Das Fatale: Selbst unsere Medien gaukeln uns vor, dass diese „Normalität“ andauern könnte – obwohl schon oberflächliche Recherchen ergeben, dass dies ganz offensichtlich Selbstbetrug ist – und zusätzlich wohl auch Betrug.

Fazit:

Wir sollten unsere gemütliche Couch der bisherigen „Normalität“ verlassen – bevor wir es dann bald sowieso müssen. Es gilt, neugierig auf etwas Neues zu werden, um schlechte Gewohnheiten abzulegen und unserer Zukunft eine Chance zu geben. Vor allem gilt es, überhöhte Konsumerwartungen abzubauen und mehr Gerechtigkeit und Diversität zuzulassen. Stephan Lessenich formuliert es so: „Wir werden (vor allem auch nach der Corona-Krise) nicht wieder dahin zurückfinden, wo wir herkommen.“

Dazu gehört es, die in Gesellschaft, Medien und Politik derzeit geradezu gefeierten panischen Verlustängste zu überwinden und sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass wir am Beginn tiefgreifender Veränderungen stehen. Wir werden dabei einen Teil unseres unglaublichen Reichtums abgeben müssen, um dafür ein nachhaltigeres, gerechtes und friedliches Leben führen zu können – vielleicht auch ein befriedigenderes Leben als in der derzeitigen nervösen Überkonsum-Wirklichkeit.

Die Alternative dazu ist der sich bereits deutlich abzeichnende Klimakollaps, begleitet von Krieg, Unfreiheit und Perspektivlosigkeit.

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