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Persönliche Information und Meinung

Bild von Peter im Kilt

Meine Antwort: „Nein, nein und nein. Ich bin divers.“ – Leider gibt es dann keine weiteren Fragen, obwohl ja eigentlich damit wenig erklärt ist und das Gespräch nun richtig anfangen könnte. Und bestimmt auch kaum jemand weiß, was das überhaupt sein soll: „Divers“. Klingt ja erst mal ziemlich beliebig.
Ich würde es ja gern erklären, werde aber nicht gefragt – und aufdringlich sein möchte ich auch nicht. Vielleicht ist ja schon die Entscheidung gefallen, dass der Gegenüber an keiner weiteren Beschäftigung mit mir interessiert ist? Das wiederum würde dann mein Vorurteil bestätigen: Männer können einen den ganzen Abend volllabern, stellen aber keine Fragen – vermutlich auch und vor allem ein Zeichen von Desinteresse. Oder ist es eher Selbstverliebtheit oder Phantasielosigkeit? Lieber nicht von den gewohnten Denkmustern abweichen, lieber nicht auf Experimente einlassen: Männer setzen die bewährten Standards unserer Zeit (die eigentlich die Standards der Vergangenheit sind), und in denen sind schon kleine Veränderungen eine Zumutung.

Passt jemand nicht ins übliche Klischee? Dann findet sich doch sicher ein Grund, diesen Menschen dennoch in eine der bekannten Schubladen zu stecken. Dabei wird nicht lange gefragt und auch nicht so genau hingeschaut – sonst würde man ja vielleicht auch aus den lackierten Fingernägeln und den Ohrringen etwas schließen können. Oder vielleicht mal nachfragen? Siehe oben.
Eine Vielfalt abseits der zwei Geschlechter wird gar nicht erwogen und ist auch nicht vorstellbar, weil sie in der Lebensrealität nirgendwo stattfindet. Dieses komische „Diversität“ gibt es nur im Fernsehen und im Internet – in dafür ausgewiesenen, klar definierten Bereichen. Akzeptabel ist das zum Beispiel beim ESC oder bei Drag-Queens. Im Alltag ist die Regenbogen-Community hingegen kaum sichtbar, und das gilt ganz besonders abseits der Großstädte. Auch im örtlichen Rewe wurden die Regenbogen-Aufkleber an den Glastüren längst wieder abgeschabt.

So beschreibt es Muri Darida in „Uns gibt’s, Punkt aus“: „Die meisten schauen uns erst auf die Brust, dann auf den Schritt und wenn sie immer noch unsicher sind (sind sie meistens nicht), dann warten sie, bis wir den Mund aufmachen und entscheiden dann. Wir werden als Männer oder als Frauen gelesen, ob wir’s sind oder nicht, und wir werden als Männer und Frauen behandelt. Das heißt: Sind wir nichtbinär und werden als Frauen gelesen, erleben wir misogynen Hass und Gewalt, sind wir nichtbinär und werden als Männer gelesen, werden wir als komische „Looser“ abgespeichert und verlieren den Zutritt zu queeren Schutzräumen. Wir tauchen in den wenigsten Statistiken auf – und deshalb gehen die meisten davon aus, dass es uns nicht gibt.“

Allerdings geben wir uns auch selten deutlich zu erkennen. Ich jedenfalls kenne in meinem persönlichen Umfeld keine männlich gelesene Person außer mir, die Röcke und Kleider in der Öffentlichkeit trägt. Eher beobachte ich eine durchgestylte „Normalität“, die in weitgehend uniformer Kleidung und stereotypem Verhalten Zugehörigkeit zum Mainstream zelebriert. Getragen werden Anzüge oder Arbeitskleidung – in der Freizeit vielleicht noch Hoody und Jogginghose. Grund genug für mich, meine Besonderheit auch in der Öffentlichkeit zu zeigen – als Gegenentwurf dazu. Ganz normal, im Alltag. Denn es ist ja auch meine Normalität. Ich bin wirklich so – und zwar immer. Und versuche auf diese Art, das auch nach außen zu „normalisieren“.

Damit möchte ich ein bisschen mithelfen, die stereotypen Rollenvorstellungen aufzuweichen. Schließlich gibt es keine Vorschriften, dass man nicht als ganz normaler Mann ein Kilt tragen darf – auch wenn man nicht im Schotten-Club Mitglied ist und keinen Dudelsack spielen kann. Den Männern kann ich allein schon aus praktischen Gründen nur dringend raten, mal ein Kilt auszuprobieren: Es ist wirklich bequem und praktisch, sogar beim Radfahren. Zugegeben: Dazu müsste man aus der üblichen „Männer-Bubble“ mal ausbrechen – und riskieren, für ein Mitglied eines Schotten-Clubs gehalten zu werden.

Wie könnte man (und Frau) es besser machen?

Suzannah Weiss hat (für Teen Vogue, Quelle:Pocket) aufgeschrieben, wie CIS-Menschen sich rücksichtsvoller gegenüber queeren und vor allem nichtbinären Zeitgenossen verhalten könnten – hier einige aus dem englischen übersetzte und redigierte Punkte aus ihrem Text:

1. Es gibt kein „Nicht-binär aussehen“:

Die meisten Leute denken, dass man Kleider tragen muss, um eine cis Frau zu sein, oder Hosen tragen muss, um ein cis Mann zu sein. Dennoch scheinen viele Menschen zu glauben, dass Sie einen androgynen Stil brauchen, um nicht binär zu sein – was die Annahme begründet, dass ich und andere nicht-binäre Menschen, die Frauenkleider tragen, Frauen sein müssen. Tatsächlich sie können nicht erkennen, wie sich jemand identifiziert, basierend auf dem, wie er aussieht. Deshalb ist es so wichtig zu fragen.

2. Nicht-binär zu sein bedeutet nicht, dass jemand keine andere Geschlechtsidentität haben kann. Einige Leute identifizieren sich als nicht binär und gleichzeitig als Mann oder Frau oder Trans oder etwas anderes. Ich persönlich (Suzannah Weiss) identifiziere mich als nicht-binäre Frau, weil diese Identität für mich sowohl anerkennt, dass ich keine angeborene Identifikation mit einem Geschlecht habe als auch als Frau sozialisiert wurde.

3. Nicht-binär zu sein bedeutet nicht, sich im eigenen Körper unwohl zu fühlen.

Es gibt ein gesellschaftliches Missverständnis, dass jeder sich mit seinem Körper unwohl fühlen muss, wenn Genitalien und Identität nicht übereinstimmen. In Wirklichkeit gibt es jedoch keinen Zusammenhang, wenn es um Geschlecht und Genitalien geht. Wer soll sagen, dass ein Penis oder eine Vulva keine *-Identität enthält? Diese Identität kann mit allen Arten von Körpern übereinstimmen.

(…)

6. Wir haben eine Vielzahl von sexuellen Orientierungen. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind zwei getrennte Dinge. Jemand kann Cisgender sein und queer, und sie können auch transgender oder nicht-binär und homosexuell sein. Oder sie können eine dieser Geschlechtsidentitäten haben und ihre sexuelle Orientierung nicht kennzeichnen. Sexuelle Orientierung bezieht sich im Allgemeinen darauf, zu welchen Geschlechtern Sie hingezogen werden, während sich die Geschlechtsidentität darauf bezieht, als welche Geschlechter Sie sich identifizieren.

7. Nicht-binäre Identität ist nicht nur eine Eigenart oder ein Trend. Nicht-binär zu sein ist nicht nur ein Persönlichkeitsmerkmal oder eine Persönlichkeitsphase. Es ist eine echte Identität und existierte seit tausenden von Jahren.

8. Wir fühlen uns nicht alle „im falschen Körper geboren“. Dies ist eine häufige Äußerung über Transgender- und Nicht-Binärpersonen – und obwohl dies für einige gilt, ist die Identität von jemandem, der sich nicht auf die „im falschen Körper geborene“-Erzählung bezieht, nicht weniger gültig. (Im Übrigen ist ja auch niemand „im falschen Körper geboren“, sondern die äußere Erscheinung passt im üblichen stereotypen Schema nicht zur – meist von Jugend an vorhandenen – eigenen Geschlechtswahrnehmung. Deshalb wechseln auch Transmenschen nicht ihr Geschlecht, sondern streben nur die äußere Repräsentation ihres schon immer gefühlten und vorhandenen Geschlechts an.)

(…)

10. Niemand muss beweisen, dass er*sie nicht binär ist. Früher fühlte ich (Suzannah Weiss) mich wie ein*e Betrüger*in, weil ich sagte, ich sei nicht binär, weil ich nichts anderes gemacht habe als als Frauen. Ich habe mich gleich angezogen, ich habe genauso gehandelt und ich habe nicht darüber gesprochen, mit vielen Menschen nicht binär zu sein.

Nicht-binär zu sein muss also keine große Sache sein. Sie müssen nichts Besonderes tun oder sich jemandem erklären oder sich anders verhalten als zuvor. Das Besondere am Geschlecht ist, dass es für Sie völlig persönlich ist.

11. Unsere Geschlechtsidentität ist nicht alles (und oft nicht einmal ein großer Teil) dessen, wer wir sind.

Da es eine Wahl ist, sich als nicht-binär zu bezeichnen, die jemanden von der Masse abhebt, können sich die Leute darauf konzentrieren und es als den größten Teil dessen betrachten, wer jemand ist. Und für manche Menschen ist es das. Aber genauso wie ein Mann oder eine Frau nicht immer viel für jemanden bedeuten muss ist es auch bei nichtbinären Personen.

12. All diese Dinge zu akzeptieren und den Umgang damit zu lernen ist keine übermäßige politische Korrektheit — es gehört einfach dazu, um eine nette Person zu sein.

Warum lohnt es sich zu verstehen, wie sich die Menschen in unserem eigenen Leben identifizieren? Weil es aus uns unterstützende Freunde, Partner, Familienmitglieder und Menschen macht.

Weiterlesen: „Sie labern einen den Abend lang voll und stellen selbst keine einzige Frage: Männer.“ Unterhaltsam geschriebener Beitrag der Journalistin Constanze Kleis.

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