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Persönliche Information und Meinung

Das ist erfreulicherweise das neue Lebensgefühl seit meiner Erkenntnis, dass ich nicht „ein ganzer Kerl“ bin, sondern auch ein ganzes Stück weit eine „innere Frau“ in mir zu Gast ist:

Ich brauche keine Angst zu haben.

Über lange Strecken meines Lebens hat mich das Gefühl begleitet, etwas abseits an der Seite zu stehen, „nicht richtig“ zu sein und auch ein wenig absonderlich. Damit einher ging auch eine gewisse Scham – da ich den Eindruck hatte (und auch zuweilen vermittelt bekam), ich sollte mich der Mehrheit anpassen und mich so verhalten, wie es einem „ordentlichen“ Mann gebührt. Stärke zeigen und Selbstbewusstsein. Seinen Platz besetzen und verteidigen. Die dominierende Position beanspruchen, sich privilegiert fühlen und danach handeln. Eine Rolle, die ich von Anfang an nicht ausfüllen konnte. Heute weiß ich: Irgendwie wollte ich das auch gar nicht – musste diese Abneigung aber immer wieder (auch vor mir selbst) verleugnen. Und dieses Unvermögen und dieser Unwillen, den Anforderungen zu genügen, führte zu einer gewissen Angst, nicht akzeptiert und „komisch“ zu sein, ein Außenseiter.

Und das stimmt ja auch! Ich wurde also gleich doppelt zum Opfer meines introvertierten Wesens – wollte gern der Welt fern bleiben und ihr gleichzeitig gefallen und konnte es doch nicht.

Doch inzwischen – beginnend etwa ab 2021 – bin ich deutlich selbstbewusster ein Außenseiter – oder besser gesagt: Ein*e stolze*r Außenseiter*in. Und bin damit so glücklich wie noch nie.

Ich wollte noch nie und will auch jetzt ausdrücklich nicht dazugehören zum Beispiel zur Armee der anzugtragenden Weißhemden, die in in einer befremdlichen Uniformität patriarchalische Überlegenheit und gleichzeitig Unschuld darzustellen trachten, um dennoch aber ihre angebliche überragenden Ideen und überlegenen Entscheidungen zu verbreiten. Viele Männer aus dieser Gruppe wollen uns mit einer gewissen Penetranz erzählen, dass wir ohne ihre Machtausübung und falsche Fürsorge keine Zukunft hätten. Die großes Gerede mit entschlossenem Handeln zugunsten einer nachhaltigeren Zukunft verwechseln und sich gern auch mal rücksichtslos in den Vordergrund drängen.

Diese Sorte Männer überzieht alle wichtigen Bereiche in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit einer Schicht patriarchalisch gefärbten Konservatismus – und verkauft diese Anmaßung als Selbstverständlichkeit, die nicht in Frage gestellt werden darf.

„Aus dem Weg, wir machen das schon!“ – Dünne Inhalte und die eigentlich längst gescheiterten alten Konzepte werden mit großen Gesten und breitem Gerede aufgewärmt. Dabei werden menschliche Bedürfnisse nach Mitbestimmung, Nähe zur Natur, Diversität und Gleichberechtigung allzu schnell zur Seite geschoben – als Zeichen von Spinnerei und Schwäche.

Marketing und Werbung sollen uns dabei flankierend die Sinne verkleistern. Und leider funktioniert das auch oft, denn diese Männer kennen alle Tricks und Überredungs-Strategien. Ihnen zu folgen, wird daher leider sehr häufig als „alternativlos“ wahrgenommen, schließlich hat dieser Weg ja in der Wahrnehmung schon immer gut funktioniert.

Welcher Irrtum! Genau diese Patriarchen und deren Erfüllungsgehilfen haben uns – übrigens auch als verlängerter Arm der Großkonzerne – letztlich in unsere missliebige Lage auf unserem Planeten gebrach. Denn sie sind leider nicht nur äußerlich uniform langweilig, sondern in aller Regel auch egoistisch, machtbesessen und rücksichtslos, nicht nur gegenüber uns Mitmenschen, sondern auch gegenüber Klima und Zukunft. Hinzu kommt: Widerspruch dulden sie nicht. Gegenargumente werden schnell mit Abwertung anderer Positionen quittiert, bis hin zur Diffamierung. Dabei werden plump falsche oder kaum belegbare Behauptungen gerade neuerdings unter Umständen so lange wiederholt, bis sie von Unbeteiligten irrigerweise als Mehrheitsmeinung oder gar Realität wahrgenommen werden. Abweichungen von der eigenen, angeblichen Mainstream-Meinung werden dann überzeugend als kuriose Spinnereien von Außenseiter*innen vorgeführt. All das ist der Grund, warum ich Anzuträgern zunehmend skeptisch gegenübertrete – und einen Anzug nicht mehr tragen möchte. Es gibt andere Möglichkeiten, sich feierlich zu kleiden.

Doch auch andere Männerbilder konnte ich mir nie so recht zu Eigen machen: Ich kann mich auch nicht identifizieren zum Beispiel mit den bierbauchtragenden Vorstadt-Patriarchen, die ihre Männlichkeit mit entblößtem Oberkörper beim Wienern ihres Blechklumpen-SUV ausleben müssen. Oder mit Männern, die beim Dosenbier vor der Glotze einem in der kapitalistischen Beliebigkeit versunkenen Fußballverein zugröhlen und in ihrem Leben ansonsten leider weitgehend zum Statisten verkommen sind. Die hinter ihrer grau gestrichenen Sichtschutzwand auf grauen Möbeln sitzend den teuer gekauften Marken-Holzkohlegrill mit billigem Discounterfleisch befüllen und sich dabei für den größten Hecht im Teich halten, der allen anderen Nachbar*innen Vorträge über die richtigen Lebensentscheidungen halten will. Die übrigens oft nur darin bestehen, welches Hotel in Malle gebucht wird und welches noch größere Blechklumpen-SUV als nächstes auf Pump gekauft werden soll. Welche Zukunft soll daraus erwachsen?

Ich brauche weder 4-Tonnen-Wohnmobil noch Nordsee-Yacht noch Aufsitzmäher, um meine Coolness zu beweisen – ich fühl mich hingegen cool im Rock. Und das Beste: Ich muss und will gar nicht cool sein. Und schon gar nicht muss ich Euch und Ihnen irgendwas beweisen. Und ich muss auch nicht dabei sein, wenn es bei Schützenfest oder Karneval darum geht, in der Männergruppe die beliebtesten Positionen zu besetzen.

Damit ihr es nicht falsch versteht: Ich habe nichts gegen Euch, ich akzeptiere, dass Ihr ein anderes Leben gewählt habt. Ich möchte bei dieser Art Wettstreit nur nicht dabei sein – und ich bin dann bewusst Außenseiter*in.

Und: Ich möchte Euch – Interesse vorausgesetzt – gern helfen, aus Eurer einseitig männlichen Rolle herauszufinden. Denn Männer müssen nicht Egoismus, Macht, Herrschaft, Überlegenheit und Gewalt verkörpern! Sie dürfen und sollten auch Mitgefühl zeigen, Liebe und Rücksicht – denn das ist kein Zeichen von Schwäche. Und Männer sollten meiner Meinung nach auch Schwäche zeigen dürfen, ohne diffamiert zu werden, wie es noch heute in solchen Fällen sofort und ohne Überlegen geschieht – übrigens auch von Frauen.

Und außerdem gilt: Noch bewusster als früher möchte ich eine nachhaltige Lebensweise unterstützen, mit einem respektvollen Umgang gegenüber den natürlichen Ressourcen, aber auch gegenüber allen Menschen und Tieren, die in unserem angeblich überlegenen kapitalistischen System bislang unterdrückt und ausgebeutet worden sind. Und in der Welt, die ich mir in dieser Hinsicht wünsche, gilt:

Ich brauche keine Angst zu haben.

Dabei gibt es leider gute Gründe, Abweichungen von den geschlechtlichen Klischees nicht zu zeigen. Denn Diffamierungen und die Gewalt gegen Personen, die den patriarchalischen Vorstellungen nicht entsprechen (wollen), nimmt zu – jedenfalls, wenn man den Nachrichten Glauben schenkt. Und diese Tendenz wird von Männern noch befeuert, die sich publikumswirksam über angeblichen „Genderwahn“ beklagen und einen rücksichtsvollen Sprachgebrauch verbieten wollen. Daran beteiligen sich leider auch viele Journalist*innen.

Vielfalt und Freiheit werden den alten Patriarchen zur Bedrohung. Mit der Parole „Ihr seid mitgemeint“ wollen sie alle Diversität in die Dunkelheit der Nichtbeachtung zurückstoßen. Und ganz offensichtlich sind sie auch zur Ungerechtigkeit und rücksichtslosen Diffamierung bereit, um ihre völlig ungerechtfertigten historisch begründeten Privilegien zu verteidigen. Doch es wird sich auszahlen, ihnen die Stirn zu bieten! Die Zeit ist reif für Vielfalt, Rücksichtnahme und Anerkennung. Die meisten Menschen sind längst aufgeschlossen gegenüber alternativen Kleidungs- und Lebenskonzepten. Die Zeit ist reif, andere Perspektiven offen zu zeigen und für sie zu werben. Wir müssen uns nicht vor der Bevormundung der Anzugträger fürchten, die nur scheinbar alternativlos alte Werte und Hierarchien zu verteidigen suchen. Die Welt ist kein Gefängnis und längst hat sich gezeigt, dass wir nur mit neuen, unkonventionellen Ideen und vor allem gemeinsam neue Wege beschreiten sollten. Ich freue mich darauf. Und:

Ich brauche keine Angst zu haben.

(Februar 2023)

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